Willkommen, „Sturmkrähe“, alter Freund!

Von Hagen|11. Februar 2016|#notjustsad

„Um die Wahrheit zu sagen, dich zu empfangen, ist mir eine zweifelhafte Freude, […] Warum sollte ich Dich willkommen heißen, Gandalf Sturmkrähe? Das sage mir!“ […] „Láthspell nenne ich dich, schlechte Nachricht, und die schlechte Nachricht ist kein gern gesehener Gast, sagt man.“ […] „Doch wer schlechte Nachrichten bringt, kann zweierlei sein: einer, der Böses bewirkt, oder einer, der das Gute auf sich beruhen lässt und nur in Zeiten der Not kommt, um Hilfe zu leisten.“

J.R.R. Tolkien, „Der Herr der Ringe“, Gespräch zwischen Theoden, Grima und Gandalf in Methuseld

Hagen. Ich habe wieder zuviel gewollt. Zuviel von mir verlangt. Zuviel von mir gegeben. Nicht früh genug auf die Anzeichen geachtet. Diese nicht bemerkt, obwohl ich sie eigentlich kennen sollte. Keine Grenzen gesteckt, als es Abgrenzung gebraucht hätte. Innerlich, äußerlich, zeitlich. Unfähig sich durchzusetzen. Die vermeintlichen Ansprüche Dritter über die eigenen Bedürfnisse gestellt. Mal wieder. Vielleicht zu spät reagiert. Sicher zu spät agiert.

Zu viel Zeit auf der Arbeit, zumindest gefühlt zu wenig Zeit für eigene Vorhaben. Das Gefühl Weinen zu können und Weinen zu müssen, ohne dass es einen greifbaren Anlass gibt. Nachts wacht man auf und wälzt sich im Bett umher, während die Gedanken um die Arbeit kreisen – selbst im Urlaub. Ständig das schlechte Gewissen nicht gut genug zu sein, nicht genug zu geben. Das Gefühl unverstanden und allein zu sein, während man ständig von Menschen umgeben ist. Wenn jede Nähe und jede Aufgabe einem den Atem und die Freiheit zu rauben scheint. Letztendlich der fehlende Mut es sich selber einzugestehen: Es geht nicht mehr (weiter).

Bis es zu spät ist. Schon wieder. Nicht so spät wie beim ersten Mal. Etwas hat man ja vom ersten Mal gelernt. Das es eine Grenze, ein bestimmtes Anzeichen gibt, das nicht ignoriert werden kann. Nicht ignoriert werden darf. Im Januar 2013 war ich schon mal zwei Monate in der (offenen) Klinik. Eine gute Zeit, um auf sich zurück geworfen zu werden. Lernen wieder Schritt zu fassen auf einem Weg, der das Ziel ist. Ein Weg, den ich aber wohl noch nicht weit genug beschritten hatte, um (auch durch das System) wieder in den Alltag hinein getrieben zu werden.

Einen Alltag, in dem auch ich (wieder) so agiere, als wäre Leistung wichtiger als Entwicklung, Entfaltung und Freiheit. Und letzendlich wichtiger als die Gesundheit. Als müsse erlernter und ausgeübter Beruf immer auch Berufung und wichtigster Lebensinhalt sein. Als wäre das Arbeiten gleichbedeutend oder wichtiger als das Leben selbst. Doch auf der einen Seite einfach weiter machen und nur auf der einen Seite etwas ändern – Live! Move! Create! – reicht nicht aus. Hat nicht ausgereicht.

Denn jetzt ist er wieder da. Láthspell nenne ich ihn, die schlechte Nachricht. Er erzählt von meinem eigenen und ganz persönlichen Versagen. Von dem Unvermögen mit alltäglichen Situationen adäquat umzugehen. Von meinen Fehlern, die durch die Wiederholung nicht besser geworden sind.

Ja, Sturmkrähe bringt schlechte Nachrichten. Doch er ist es nicht, der das Böse bewirkt. Er lässt das Gute auf sich beruhen. Bleibt fern und stumm, wenn es mir wohl ergeht. Doch er kommt, wenn ich an meine Grenzen stoße. Wenn meine Gesundheit – erst psychisch, dann auch physisch – bedroht ist. Wenn ich in Not bin. Selbst wenn ich es selbst noch nicht bemerke. Wenn er da ist muss ich mir eingestehen: Es geht nicht mehr (weiter).

Daher heiße ich ihn mit zweifelhafter Freude willkommen. Sturmkrähe, mein alter Freund.

4 Kommentare

  1. Gandalf? Oh yes that’s how they used to call me. Gandalf the grey was my name.
    I am Gandalf the white!

    May the white help you to fight against the darkness!

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