Mein Stress ist mir
Hagen. Burnout gibt es eigentlich gar nicht. Ist keine eigene Krankheit, sondern nur ein Modewort für eine Art oder einen Auslöser für eine Depression, sagen Einige. Genau weiß ich es nicht, aber darüber sollen Mediziner entscheiden. Für mich zählen nur meine eigenen Gedanken und Feststellungen, die mich persönlich weiter bringen. Und ganz entscheidend war bei mir in der Depression der Stress – und das bis heute.
Ich habe darüber geklagt, dass mir andere Menschen Stress machen. Dass zu viel Chaos und Unordnung im (Arbeits-)Umfeld mir Stress verursacht. Dass ich an dem Stress auch Nichts ändern kann, weil die Leute mich einfach nicht zur Ruhe kommen lassen und ständig neue Anforderungen an mich haben. Niemand hilft mir und daher bin ich ungeschützt dem Stress ausgesetzt.
Als Fazit: Der Stress ist die Schuld anderer Leute und ich kann Nichts dagegen machen.
Es hat lange gedauert, bis ich nicht nur verstanden habe, dass ich letztendlich für mich alleine verantwortlich bin und Niemand für mich Verantwortung übernehmen wird, wenn ich es nicht selber mache. Dass ich diese Verantwortung auch nicht abgeben darf. Auch wenn das schwer fällt und (noch) nicht so gut funktioniert, wie ich das gerne hätte.
Ich habe auch erkennen müssen, dass man mir keinen Stress macht. Mir kann nur eine Person Stress machen: Ich mir selbst. Stress ist das Verhalten, womit ich auf Druck reagiere. Grundsätzlich ein normales Verhalten, was sicher aus der Zeit rührt, als man durch Stress mehr Adrenalin ausgeschüttet hat, um einem Säbelzahntiger und dem Druck gefressen zu werden zu entkommen.
Nur gibt es in meinem Leben (zumindest bisher) nicht viele Säbelzahntiger, was sicher auch seine guten Seiten hat. Aber auch so gibt es tagtäglich Situationen, die einen Druck aufbauen, worauf ich mit Stress reagiere. Grundsätzlich normal, wenn bei mir (und sicher auch vielen anderen Depressiven) nicht zwei Dinge anders wären.
Zum Einen, was bei mir über die normalen Situationen hinaus Druck aufbaut und wie ich mit dem daraus resultierenden Stress, den ich mir aus Ersterem heraus selber mache, umgehe.
Verabredungen mit Freunden, meine geliebten Spaziergänge im Wald – zwei Beispiele für Sachen, die normalerweise gerade zur Entspannung da sind, bei mir aber oft Druck erzeugen. Weil es Termine sind, durch die ich weniger Zeit habe. Und wenn das bei mir Druck ausübt kann man sich vorstellen, wie ich den alltäglichen Druck empfinde.
Dann mache ich mir Stress. Der zeigt sich körperlich und geistig. Körperlich durch einen erhöhten Blutdruck (in meiner Burnouthochzeit lag er mal bei 200/150) und Magenkrämpfen. Geistig endete es dann irgendwann damit, dass ich einfach kein Ventil für meine Frustration mehr fand und meine Fingernägel in die Kopfhaut rammte, bis letztendlich Blut über mein Gesicht lief. Mein „Point of no return“, den ich zuletzt im Februar in Andalusien erreicht hatte.
Daran hat Niemand schuld außer ich selbst. Eine Erkenntnis, für die ich zwei Burnouts gebraucht habe. Davor habe ich immer andere Menschen – meinen Vater, meine Chefs, etc. – dafür verantwortlich gemacht. Auch, weil es ja viel einfacher ist andere Menschen zu beschuldigen als sich selber einzugestehen, dass man selber die Verantwortung dafür trägt. Es ist aber so.
Daher ist mein Weg derzeit davon bestimmt, dass ich lerne, wie ich zum mit einen Situationen, die bei mir Druck erzeugen, umgehe und wie ich vermeide mir Stress zu machen bzw. mit diesem umgehe. Leider nicht so einfach, wie es erstmal klingen mag, aber auch hier ist der Weg das Ziel. Auch weil ich mir bewusst bin, dass ich in der Hinsicht von Druck + Stress nie „normal“ agieren werde.
Um es mal anders (und schöner) auszudrücken: Ich bin Individualist und habe meine eigene Art Dinge empathisch wahrzunehmen sowie für mich zu interpretieren. Es ist mein Weg und meine Art – und genauso werde ich meinen Weg und meine Art finden damit umzugehen. Denn mein Job ist es in erster Linie, dass es mir gut geht. Ein Lernprozess, der sicher noch dauern wird, aber der Weg ist das Ziel.
Sehr wichtige Erkenntnis und Erkenntnis ist bekannter Maßen der erste Schritt zu Besserung.
Da ich den Kram (zwar nicht mit Burnout aber mit Depressionen) ja auch hinter mir habe, mag ich gern den ein oder anderen Ratschlag da lassen. Ob der für Dich/Euch taugt, dürft Ihr selbst entscheiden. 🙂
Also: ich habe die Erfahrung gemacht, dass es erstmal total wichtig ist zu wissen, was man kann. Die Kernkompetenz. Das, was einen ausmacht, auch wenn es einem total mies geht. Etwas, was niemand anders angreifen kann, weil es etwas ist, was aus einem selbst heraus kommt. Bei mir ist es das singen. Das kann ich. Und ich weiß, dass ich das kann, auch wenn es mir schlecht geht. Vielleicht bin ich dann grade nicht in der Lage, das zu tun, aber ich verfüge über diese Fähigkeit. Und das kann mir niemand wegnehmen. Das kann ich. Immer. Das ist, worauf bei mir alles fußt. Selbst, wenn es Leute gibt, die das besser können als ich. Ich kann es trotzdem. Und ich bin mir sicher, dass Du auch sowas hast. Etwas, was Du kannst. Was Dir keiner kaputt machen kann. Etwas, was Dir Spaß macht, was Du gern tust und was Dir niemand kaputt machen kann. Es dauert ein wenig, bis man genau das eine Ding gefunden hat, aber es tut gut, das zu wissen und daraus Stärke zu ziehen.
Mir hilft es immer wieder, wenn jemand versucht, mein Selbstwertgefühl anzugreifen, mich genau darauf zu besinnen.
Und dann ist es wichtig, dass man das tut, was einen glücklich macht. Ich hab für mich festgestellt, dass ein Teil meiner immer wiederkehrenden Depressionen darin begründet ist, dass ich einen Job mache, der mich nicht glücklich macht. Das ist schlecht und sollte so nicht sein. Also hab ich Verantwortung für mich übernommen und meinen Chef gebeten, ein anderes Projekt für mich zu finden, bei dem ich meine Kompetenzen besser einsetzen kann. Großer und echt wichtiger Punkt. Der Job macht den Großteil unserer täglichen Zeit aus und wenn man dann was tut, was einen echt nicht glücklich macht, macht einen das kaputt. Dann kommt es zu Burnout oder auch Boreout. Beides nicht erstrebenswert und definitiv zu vermeiden.
Entsprechend gehe ich jetzt meinen Weg. Mit allen Konsequenzen. Aber ich habe ein Ziel vor Augen. Und weil ich das habe, weiche ich nicht von meinem Weg ab. Auch wenn es manchmal Hürden gibt, die man bewältigen muss. Die Hürden machen es einem nicht leicht, aber dadurch, dass ich mein Ziel vor Augen habe, weiß ich, dass ich diese Hürden schaffen werde. Und ich bin mir sicher, dass Du das auch kannst.
Wenn mich das Leben eins gelehrt hat, dann folgendes: alles wird gut. Egal, wie scheiße es grad ist, es wird gut. Egal, wie viel Dreck man grad fressen muss, es wird gut. Egal, wie beschissen man sich grad fühlt, wie wenig Perspektive man vielleicht grade hat, alles wird gut.
Fühlt Euch beide ganz herzlich gedrückt!!