Von meinen Grenzen und einer Auszeit

Von Hagen|20. April 2016|#notjustsad

Hagen. Ein weiterer Text aus der Serie über meinen Weg durch meine Depression. Zur Dokumentation meines Weges und meiner Gedanken, die ihn begleiten. Eine Art Abenteuer, wenn auch nicht von der Sorte, wie man sie Anderen wünscht. Dennoch freue ich mich über jede Art des Austausches, zum Beispiel in den Kommentaren.

Wohnung in Ordnung bringen, Bett machen, Geschirrspüler aus- und einräumen, Wäsche aufsetzen, für Therapietermin telefonieren, Anträge ausfüllen, Briefe zur Post bringen, Wäsche falten, Durchlüften, Spazieren gehen, Fotos nachbearbeiten, Essen einkaufen, Küche wischen, Essen machen, Versicherungen klären, Finanzplan aufstellen, Sachen im Internet bestellen, Verena vom Bahnhof abholen, zum Abnehmen Kalorien zählen, über ein neues Logo nachdenken, Reifen vom Auto meiner Mutter aus dem Lager holen, Konzepte für die Zukunft entwickeln, über das Geld grübeln, Klamotten kaufen, Treffen mit Freunden, Liverollenspielveranstaltungen besuchen, zum Arzt gehen, Lager aufräumen, …

Es ist mir gerade wieder zuviel und ich spüre, wie ich an meine Grenzen stoße. Ich fühle mich gehetzt. Kann mich keiner Sache länger widmen. Meine Aufmerksamkeitsspanne wird immer geringer. Kann mich aus gefühltem Zeitmangel nicht lange auf eine Sache konzentrieren. Immer weniger ruhe ich emotional in mir und bemerke, dass ich wieder leichter reizbar bin. Wenn das Telefon klingelt und mich (woraus auch immer) heraus reißt, muss ich kurz dem Drang widerstehen es gegen die nächste Wand zu werfen.

Menschen ohne Anpassungsstörungen und Depressionen fällt es sicherlich schwer zu verstehen, wieso das für mich ein Problem darstellt. Wenn ich die Liste mit emotionaler Distanz betrachte kann ich das nachvollziehen, zumal in ihr ja auch Punkte zu finden sind, die schnell erledigt sind, und Sachen, die mir Freude machen. Doch wenn sie alle zusammen kommen (und sicher habe ich noch einige Dinge vergessen), dann fühle ich mich wie in ein Korsett eingeschnürt. Ein Korsett, das mir die Luft zum Atmen nimmt.

Zu diesen Aufgaben summieren sich dann noch der Druck und die Sorgen hinzu. Der Druck, den man sich selber macht, weil es zwar immer voran geht, aber nie schnell genug. Der Druck, weil man immer wieder in ein Loch zurück fällt, aus dem man sich wieder heraus arbeiten muss. Der Druck, der Anforderungen, die man an sich selber stellt, weil man immer noch hofft, dass man wieder „normal funktioniert“ – selbst wenn man tief im Inneren weiß, dass das nie (mehr) der Fall sein wird. Die Sorgen, die sich auf das Heute und das Morgen beziehen. Sorgen, wie Behörden, Ämter, Kassen, etc. mit einem Umgehen und die Angst, welcher Druck von ihrer Seite zu erwarten ist. Die Sorgen um die finanzielle Situation. Sorgen, die auch nur den Druck maximieren. Den Druck möglichst schnell eine Lösung zu finden. Eine Lösung, die aber keinen Druck gebrauchen kann und Zeit fordert.

Ich habe wieder das Gefühl den ganzen Tag beschäftigt zu sein und für mich und meine Gedanken – und damit für meinen Weg – keine Zeit zu haben. Dieses Gefühl ist gerade so stark, dass ich trotz eines strahlend blauen Himmels eine unterschwellig niedergedrückte Stimmung mit mir rum schleppe. Meine Aufgaben, meine Sorgen und der Druck scheinen mir (mal wieder) die Luft zum atmen zu nehmen. Der Strudel, in dem ich darum kämpfe den Kopf über Wasser zu halten, scheint mich gerade wieder herunter ziehen zu wollen. Ich kämpfe dagegen an, weil ich einfach nicht aufgeben will. Weil ich nicht bereit bin mich aufzugeben und einfach ins Dunkle treiben zu lassen, auch wenn es manchmal verführerisch einfach klingt.

Noch immer komme ich nicht zur Ruhe. Es fehlt die Stille, um weiter zu mir zu finden. Auf mich zurück geworfen zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Neue Ideen zu entwickeln. Lösungen zu finden. Den Weg weiter zu gehen. Aus dem Tal hinaus zu wandern. Ich bin in Bewegung, aber nicht in der Bewegung, die mich wirklich weiter bringt. Nicht weiter zu einer Lösung, die auch mittel- und langfristig eine Lösung darstellt.

Derzeit hält mich nur die Vorfreude auf die Mallorca-Reise aufrecht, die vom 01. bis 08. Mai ansteht. Als wir 2014, während meines ersten Burnouts, das erste Mal dort waren hatte ich einen wirklich entspannten Urlaub. Das erste Mal seit langem wieder mit dem Flugzeug weg. Weit genug entfernt vom Alltag und seinen Problemen. Alleine zu zweit. Sonne und Meer. Kultur, Geschichte und beeindruckende Landschaft. Einfach mal raus. Weg sein. Vor allem weg von Allem und Allen, die Anforderungen an mich stellen (könnten). Eine Woche die Seele baumeln lassen. Möglichst keine Gedanken verschwenden an Aufgaben, Sorgen und Druck. Eine Auszeit.

Mehr als einmal habe ich aus diesem Grund in den letzten Wochen und Tagen darüber nachgedacht, ob ich nicht wieder für ein oder zwei Monate in die Klinik gehen sollte. Um mich aus meinem Umfeld heraus zu holen. In Watte gepackt fern von allen Anforderungen und Aufgaben, auf mich zurück geworfen, einfach noch mal neu mit einem klaren Cut meinen Weg beginnen zu können. Doch das hatte ich schonmal und bin doch wieder im Hamsterrad gelandet. Auch verwehrt die Klinik mir indirekt auch die Sachen, die mir Freude machen und die ich stärker betreiben möchte. Die Fotografie zum Beispiel. Daher glaube ich nicht, dass die Klink derzeit die Auszeit ist, die ich benötige.

Anders eine Auszeit, wie sie eine Reise bietet. Daher hält mich gerde (nur) die Vorfreude auf die Mallorca-Reise aufrecht, die vom 01. bis 08. Mai ansteht. Als wir 2014, während meines ersten Burnouts, das erste Mal dort waren, hatte ich einen wirklich entspannten Urlaub. Damals das erste Mal seit langem wieder mit dem Flugzeug weg. Weit genug entfernt vom Alltag und seinen Problemen. Alleine zu zweit. Sonne und Meer. Kultur, Geschichte und beeindruckende Landschaft. Einfach mal raus. Weg sein. Vor allem weg von Allem und Allen, die Anforderungen an mich stellen (könnten). Eine Woche die Seele baumeln lassen. Möglichst keine Gedanken verschwenden an Aufgaben, Sorgen und Druck. Eine Auszeit. Eine Auszeigt, wie ich sie gerade brauche und ersehne.

Aus diesem Grund versuche ich aus dieser Vorfreude die Kraft zu schöpfen gerade einfach weiter zu machen. Die Aufgaben (die ja teilweise auch bis dahin erledigt werden müssen) noch zu bewältigen – und in der neuerlichen Bearbeitung der Fotos unseres letzten Aufenthaltes in Mallorca den Gedanken an die bevorstehende Auszeit wach und präsent zu halten. Bildern wie diesen:

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Gleichzeitig ist mir aber schmerzlich bewusst, dass es sowohl eine Reise von einer Woche als auch ein Klinikaufenthalt auf Dauer auch keine Lösung ist. Ich muss mir auch in meiner „normalen“ Lebensrealität die Möglichkeit einer Auszeit schaffen. Körperlich. Geistig. Seelisch. Dafür muss ich meine Lebensrealität ändern. Verantwortlich dafür bin ich. Ich allein. Mir ist das bewusst, aber es kostet Kraft. Kraft, aus dem vermeintlich bequemen und dem in langen Jahren erlernten Verhalten auszubrechen. Kraft, die Ketten der gefühlten Ansprüche des Umfeldes abzustreifen. Kraft, sich klar zu machen, dass man in erster Linie für sein Glück selber verantwortlich ist – und die Kraft das dann auch in praktisches Handeln umzusetzen. Kraft die ich derzeit (noch) nicht habe.

Doch wie immer ist der Weg das Ziel. Der Weg, auf dem man manchmal Umwege geht. In Sackgassen steht und nochmal umkehren muss. Aber letztendlich führt einen der Weg immer weiter und hinter jeder Kurve wartet sicher ein neues Abenteuer auf uns. Wir leben in interessanten Zeiten.

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